Pascal Paoli, der letzte Korse, Historischer Roman

Dem heißen Julitag war ein Gewitter gefolgt. Die Donner krachten in dem korsischen Gebirge und fanden zehnfaches Echo an den Felswänden des Monte Rotondo. Ein feiner Sprühregen fiel hernieder, der wie Nebel die Kuppen der waldigen Abhänge des hohen Berges einhüllte und in den wilden, zerklüfteten Felsschluchten gespenstische Reiter zu bilden schien, die längs der riesigen Granitblöcke hinjagten, bis sie an scharfen Vorsprüngen zerrissen und in langen Streifen sich verloren. Schon war die Sonne in das blaue Wogenbett des Mittelländischen Meeres gesunken; mit ihren letzten blutroten Strahlen, die das Gebirge in Feuer der Abendröte gesetzt, hatte sie noch die dunklen aufziehenden Wetterwolken getroffen. Wenn jener Mann, der sichern Trittes über das Geklipp springt, noch zu den nächsten Hirtencapannen an den Abhängen des Monte Rotondo vor Einbruch der Nacht gelangen will, muß er eilen. Man geht nicht fehl, ihn für einen der Banditen zu halten, welche im Gebirge der Insel und in der Macchia, im Buschwald der Abhänge, ihr Nomadenleben führen; denn wer anders wagt sich so hoch in die Berge, in die Region des Wildschafs und des Falken, und könnte so sicher über die Klippen seinen Weg verfolgen? In der Mitte des vorigen Jahrhunderts, der Zeit, da unsere Geschichte beginnt, als Korsika sich noch unter der verhaßten Herrschaft Genuas befand, als der Kampf gegen die Unterdrücker ein seit Jahrzehnten schon dauernder war und im Zusammenhang mit der Parteizerklüftung unter den korsischen Familien die Blutrache sie fast sämtlich in einem inneren blutigen Krieg mit ihren Todfeinden erhielt, dem keine Sbirren mehr Einhalt zu tun wagten – damals war das Gebirge nur zu bevölkert von solchen Banditen, die mit einem Mord auf dem Gewissen sich vor der Rache der feindlichen Sippschaft hierher geflüchtet hatten, und die jeden Augenblick bereit sein mußten, ihre Verfolger niederzuschießen....